Auftragskiller, Snuffporn und Menschenhändler?
Vor einigen Wochen habe ich auf der Indiecritic Facebook-Seite schon mal den Film „Deep Web“ empfohlen. Das war direkt nachdem ich den Film auf Netflix entdeckt und gesehen habe. Auf „Deep Web“ bin ich eigentlich nur zufällig gekommen, weil ich nicht wusste, was ich anschauen will. Auf einmal lag der Thumbnail mit fetter Schrift „Deep Web“ vor meiner Nase. Wenn man sich schon mal mit den Tiefen des Internets beschäftigt hat, kommt man unweigerlich auf die Begriffe „Deep Web“ oder „Dark Net“ und ebenfalls unweigerlich verbindet man diesen Geheimnisvollen Bereich des Internets mit Drogen, Auftragskillern, Snuffporn und Menschenhändlern – sozusagen ein abgefuckter, moralloser Bereich, in dem all das zu haben ist, was im normalen Leben kaum vorstellbar ist. Liest man sich dann auf Reddit noch (echte oder unechte) Erfahrungsberichte über die Ausflüge ins Deep Web durch, verliert man schnell mal den Glauben an die Menschheit.
Das Deep Web ist also in gewisser Weise abstoßend und anziehend zugleich – auf jeden Fall aber mit einer Menge virtueller Mythen versehen. Früher gab es die sogenannten Urbanen Mythen, die man aus allen Richtungen im realen Leben oder auf den sozialen Netzwerken so erzählt bekommt, als hätte sie „neulich“ ein Freund von einem Freund so erlebt und mittlerweile sind diese Geschichten so alt, dass man nur noch die Augen verdreht.
Beim Deep Web ist das was anderes. Es ist relativ neu, viele kennen Geschichten, aber kaum einer davon war je „dort“ – ich auch nicht.
Doch auch auf mich haben diese Geschichten und Möglichkeiten eine enorme Anziehungskraft. Meine Neugierde hat mich dazu gebracht, mir sämtliche Videos darüber anzusehen; Tutorials, wie man rein kommt und so weiter. Bloß den tatsächlichen Schritt rein hab ich nie gemacht, geschweige denn die Tür (bzw. das Tor) geöffnet. Von der Doku auf Netflix habe ich mir erwartet, dass die Tatsachen von den Mythen getrennt werden; vielleicht ein paar Interviews mit (ehemaligen) Menschenhändler, Kannibalen oder sonst was. Das, was es dann tatsächlich war, war aber etwas fast komplett Anderes. Trotzdem war ich nicht enttäuscht, sondern regelrecht überwältigt, sodass ich den Film an praktisch jeden in meinem Umfeld weiter empfohlen habe.
Silk Road: Schwarzmarkt mit Philosophie
In „Deep Web“ geht es also weniger um das Deep Web per se als viel mehr eine durchaus fiktivfilmreife Geschichte eines Individuums. Dieses Individuum heißt Ross William Ulbricht. Dieser wurde 2013 zu lebenslanger Haft verurteilt. Aber warum? Lebenslang verbindet man normalerweise mit brutalem Mord, Folter, Serienvergewaltigung und so weiter. Weiß man nun, dass der „Film „Deep Web“ heißt, könnte man sich das sogar irgendwie vorstellen. Dabei liegt man jedoch falsch.
Ulbricht gilt als Gründer (was im Film aber teilweise dementiert wird) und Betreiber der Handelsplattform „Silk Road„. Die Silk Road war wohl einer der ersten digitalen Schwarzmärkte überhaupt und wurde darüber hinaus immer größer und erfolgreicher -alles außerhalb des normalen, besteuerten Wirtschaftssystems, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass schon wenig später die ersten bedeutenden Konkurrenzmärkte aus dem Nichts ins Dunkle schossen. Das Besondere an Silk Road aber war, dass diese Plattform sich – vor allem durch Ulbrichts Einfluss – nicht einfach als anonymer Marktplatz verstand, sondern als Community. So brachte Ulbricht auch von Anfang an seine libertäre Philosophie mit ein, was im Prinzip wie die Faust aufs Auge passt, da Silk Road praktisch eine virtuelle Abbildung der ungezügelten, freien Marktwirtschaft war.
„Ungezügelt“? – nicht ganz! Ulbricht setzte seine Prinzipien durch, wonach bspw. keine Auftragsmorde angeboten werden durfte, da dies gegen das Nichtaggressionsprinzip verstößt. Da dieser Marktplatz aber nicht nur wegen der angebotenen Produkte weit entfernt der Legalität war, stand Ulbricht und ebenfalls diverse Händler bald im Fadenkreuz von Ermittler. Dabei kam es zu einem (v.a. virtuellen) Katz-und-Maus-Spiel, was letztendlich in gar nicht so virtuellen Anschuldigungen und eben zu lebenslanger Haft führte.
„Deep Web“ ein guter Film?
Ich verzichte jetzt darauf, jedes weitere einzelne Detail darzulegen, da der Film „Deep Web“ das sehr viel besser und dramatischer macht. Deshalb möchte ich noch kurz darauf eingehen, wie ich den Film als Film wahrgenommen habe.
Wie schon gesagt, hatte ich andere Erwartungen und wenn ich nicht selbst ähnliche Ansichten wie Ulbricht (oder offenbar der Regisseur und Produzent Alex Winter) haben würde, hätte ich vielleicht weniger gebannt den Film verfolgt. Weiß man nun aber, dass es nicht um das Deep Web im Allgemeinen geht, kann man sich auf eine verdammt spannende Doku einlassen, die einem sicherlich nochmal einen anderen Blick auf Recht und Gerechtigkeit gibt.
Nachdem ich „Deep Web“ gesehen hatte, war für mich sofort die Suche nach weiteren Filmen von Alex Winter angesagt, wodurch ich bspw. auch auf Downloaded stieß, den ich mir ebenfalls ansah. Ich seh mir eher selten Dokumentationen an, aber die Art, wie Winter seine Filme umsetzt, hat schon etwas sehr Faszinierendes. Einerseits sind es natürlich spannende Themen, die nicht all zu weit in der Vergangenheit liegen, andrerseits hat man aber auch das Gefühl, dass dramaturgische Elemente bewusst eingesetzt werden (Zeitsprünge in der Erzählung, Rahmenhandlung usw), ohne dass es abgedroschen wirkt. Natürlich haben auch Dokus wie bei ZDF-History und Co ihre Dramaturgie – die allerdings schon so stark etabliert ist, dass man den Aufbau der Doku schon weiß, wenn man sie in seinem Fernsehheft (benutzt man das noch?) ankreuzt.
Deep Web (übrigens mit Keanu Reeves als Sprecher), wie auch Downloaded sind weder mit den abgedroschenen Fernsehdokus, noch mit Michael Mooore-Dokutainment vergleichbar. Vielleicht liegt es daran, weil man das Gefühl hat, dass es den Machern wichtig war, diese Inhalte in die Öffentlichkeit zu tragen.
Der Beitragstitel hat schon die „Empfehlung“ in sich und das ist es im Prinzip auch. Ich bin kein Doku-Kritiker und maße mir jetzt nicht an, die Expertise zu haben, über den Film zu urteilen. Mir ist es wichtig, diesen Film empfohlen zu haben und hoffe, dass nun der ein oder andere Leser sich selbst ein Bild von „Deep Web“ macht.
In dem Sinne: Viel Spaß 😉
Deep Web wurde im März 2015 veröffentlicht.
Anschauen kann man ihn über Netflix, die Deep Web-Homepage oder kaufen über folgenden Amazon-Affiliate Link
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