Worum gehts bei Hardcore?
Hardcore (oder auch Hardcore Henry) ist eine US-amerikanisch/russische Koproduktion und handelt von einem Mann, der mehr oder weniger unfreiwillig Teil eines bionischen Projektversuchs ist. Das bedeutet, dass er künstliche Körperteile an bzw. in sich trägt. Gerade als (s)eine Frau ihn bis auf die Stimme funktionstüchtig macht, wird das Labor von dem Bösewicht Akan überfallen. Im Handlungsverlauf geht es im Großen und Ganzen einerseits darum, herauszufinden, was das Projekt soll und zum anderen die durch Akan entführte Frau zu befreien.
Der erste First-Person Langfilm
Hardcore Henry ist der erste Point-of-View-Film mit Spielfilmlänge. Wem POV nichts sagt: es ist wie bei Videospielshootern die Perspektive der ersten Person. Der Zuschauer sieht also den Film aus der Perspektive des Protagonisten. Jetzt könnte man sagen „Der erste? Aber es gibt doch..“ Ja es gibt einige Filme, die eigentlich das gleiche Stilmittel nutzen – zum Beispiel Cloverfield. Doch Found Footage Filme suggerieren, dass alles auf eine Kamera aufgenommen wurde, die natürlich am Auge des Protagonisten klebt. Bei Hardcore fällt das Element der Kamera weg. Deswegen ist der Stil zwar nicht völlig unbekannt, aber das Prinzip ist eine Premiere, zumal der Protagonist kein einziges Mal spricht.
Als ich den Trailer zu Hardcore Henry das erste Mal sah, war ich (wie wohl jeder andere) gleich mal gehyped. Doch gleichzeitig war meine Befürchtung, dass der USP gleichzeitig sehr anstrengend werden könnte, schließlich ist es schon recht ungewöhnlich, einen kompletten Film in POV mit Weitwinkeloptik und fast ständigen Gewackel zu sehen.
Wer ist die Zielgruppe von Hardcore?
Wenn man sich den Trailer anschaut, wird schon sehr schnell klar, dass hier vor allem die Shooter-Zocker angesprochen fühlen sollen. Müsste man Hardcore möglichst kurz beschreiben, wäre am passensten: Der verfilmte FPS-Shooter. So etwa war auch das Publikum. Es bestand aus ausschließlich Typen geschätzt zwischen 20 und 27. Und da bin ich mir verdammt sicher, dass das auch genau die Zielgruppe ist, die angesprochen werden sollte. Um Vergleiche zu Shootern zu finden, kam mir beim Film schon GTA 5 in den Sinn. Nicht nur wegen der neuen FPS-Perspektive, sondern weil Hardcore ähnlich verrückt ist. Es wird auf so vielfältige Art getötet; überspringen wir mal die Faustkämpfe und Schießereien – es werden Vans durch Fernsteuerung hochgesprengt, mit Raketenwerfer beschossen, es werden Panzer „infiltriert“ und so vieles mehr. Der Humor ist allerdings weniger so „prüde“ wie GTA – eher „wahnsinnig“ in Richtung Shadow Warrior oder Hotline Miami.
Da ich aber weniger Ahnung von aktuellen Videospielen hab und deshalb möglicherweise auch nicht jede Anspielung versteh, vergleich ich Hardcore jetzt lieber mal mit Filmen. Schon im Intro wird klar, dass der Film kein Kindergeburtstag auf dem Ponyhof wird. Der visuelle Stil, der Humor, die Action und die unglaubliche Brutalität sind sehr gut mit Crank zu vergleichen. Selbst die Handlung an sich erinnert inhaltlich an Crank: High Voltage.
Das ist natürlich sehr toll für jemanden, der sich wünscht, dass mal lieber die Crank-Regisseure den Deadpoool-Film gemacht hätten. Hardcore ist aber noch eine große Spur brutaler und expliziter als Crank. Wer also gerade Crank besonders unterhaltsam fand, der kann sich sicher sein, dass er die Zielgruppe von Hardcore ist.
Gutes und weniger Gutes
Hardcore Henry ist zweifellos etwas einzigartiges, das man zumindest in der Länge noch nie gesehen hat. Hervorheben muss man auf jeden Fall die Stunts. Bei fast jedme davon fragt man sich „haben die das wirklich gemacht?“ oder „wie zur Hölle haben sie das denn geschafft“ oder auch „die sind doch völlig krank, dafür haben die bestimmt keine Produktionsversicherung bekommen“. Tatsächlich wurde offenbar alles so gemacht, wie man es sieht und eben mit CGI verfeinert. Das ist nicht nur bemerkenswert, sondern auch sehenswert. Wer über Brutalität lachen kann, für den ist Hardcore auch unheimlich witzig. Es gibt so viele Stellen, die fast slapstickartig (im positiven Sinne) sind – nur eben mit Blut, abgetrennten Körperteilen und so weiter. Wer von Deadpool (völlig zurecht, aber entgegen der Mainstreammeinung) enttäuscht ist, der hat hier seine um Längen bessere Wiedergutmachung. Deadpool ist faktisch ein Scheiß dagegen 😉
Hardcore ist visuell eine absolute Besonderheit, doch auch für die Ohren ist es ein Fest. Mal abgesehen von den vielen Schlag, Stich- Schuss und Explosions-Soundeffekten, hat man bei Hardcore durchgehend das Gefühl, man schaut ein ewig langes Musikvideo. Die meiste Zeit wird einem kranker Dubstep und Synthiemassakker um die Ohren gehauen, was regelmäßig von harmonischen Klassikern unterbrochen wird. Die Musikunterlegung unterstützt also die Action und bevor es doch langsam zu viel wird, bekommt man 70er-Pop-Rock-usw zu hören. Ein Stilmittel, dass auch relativ oft verwendet wird ist, dass laute schnelle chaotische Musik ruckartig unterbrochen wird, dann passiert etwas und dann haut der Dubstep wieder voll rein. Dieser Absatz liest sich jetzt vielleicht eher mehr als Warnung als Lob, aber man sollte sich wirklich darauf einlassen, denn die Musik passt zum einen erstaunlich gut und ist darüber hinaus nicht die ewig konventionelle Pseudoorchester-Musik, die man u.a. in Marvel-Filmen ertragen muss.
Trotzdem muss ich sagen, dass ich Hardcore jetzt nach dem ersten Mal sehen nicht komplett hochloben kann, denn er hat auch eine große Schwäche und die liegt im Inhalt. Die Ausgangslage wird relativ schnell und gut erklärt, nachdem man sich aber nach der ersten halben Stunde schon etwas satt gesehen hat an all der Action, fragt man sich dann doch: Um was gehts hier eigentlich? Man versteht, dass es einen übermächtigen und verrückten Bösewicht gibt und irgendwas von Frau retten und bis dahin irgendwelchen Typen Elektronik aus dem Körper schneiden. Aber so richtig das Gefühl, dass es ein erreichbares Ziel gibt, das es zu erreichen gilt, hat man (ich) eigentlich nicht. Der Bösewicht Akan taucht in regelmäßigen Abständen immer mal wieder auf und demonstriert seine Telekinesefähigkeiten und dann verschwindet er wieder. Am Ende gibt es eine Art Twist und damit eine Auflösung. Bis dahin, kann man gut mal raus aufs Klo gehen, denn es ist nicht so, als hätte man da ganz wichtige Storytwists verpasst.
Als ich aus dem Kino kam, hab ich mich gewundert, dass es so früh ist. Grob gerechnet in der Mitte des Films schien für mich das Finale zu kommen – doch es kam nicht. Und als es dann kam, habe ich schon 2 weitere Male gedacht, dass jetzt das Ende kommen müsste. Hardcore ist nun mal ein sehr schneller Film. Das gepaart mit der etwas verwirrenden aber wenig mitreißenden Story, deren Spannungskurve wohl drei mal so häufig als in normalen Filmen hoch und runter rast, führt dazu, dass sich der Film etwas in die Länge zieht. Da ich keine Möglichkeit habe, den Film direkt nochmal zu untersuchen, kann ich nicht sagen, welche Teile hätten rausmüssen, aber ich vermute, dass wenn ich mir den Film für mich perfekt zurechtschneiden würde, hätte er eine Länge von etwa einer Stunde.
Das heißt natürlich nicht, dass die „überflüssigen“ Szenen schlecht sind – Im Gegenteil, es gibt wenig Szenen, die wirklich langweilig sind, aber es sind für die platte Handlung einfach zu viel. Der Lösungsweg wäre also entweder den Film auf eine Stunde zu kürzen, oder eine deutlichere, tiefere und emotionalere Handlung zu schaffen.
Fazit
Hardcore Henry ist einer der krassesten Actionfilme seit Langem. Egal ob Frau oder Mann – wer Shooter, Crank oder sinnlose Gewalt unterhaltsam findet soll auf jeden Fall ins Kino gehen. Im Großen und Ganzen ist Hardcore einfach ein riesen Spaß. Urlaub fürs Gehirn eben. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass ich mir den Film als Bluray kaufen werde, da man ihn gut nebenher laufen lassen kann. Ob ich die Handlung an sich beim zweiten Mal anders wahrnehme, bleibt offen.
Ich empfehle Hardcore Heny weiter, weil er einfach sehenswert ist, Spaß macht und dank der Musik wie Party auf Speed ist. Der einzige Nachteil ist, dass es wohl zu viel des guten ist.
In dem Sinne: Viel Spaß im Kino!
Hardcore ist seit 14. April im deutschen Kino
Bluray-Release ist vsl. 9. September 2016 (Vorbestellbar durch Anzeigen im Text)